Was haben Schlaf und Meditation gemeinsam? Wie kann ein Bodyscan beim Einschlafen helfen? Und warum ist eine regelmäßige Aufwachzeit wichtiger als immer zur gleichen Zeit zu Bett zu gehen? Dr. Christiane Wolf beantwortet zahlreiche Fragen rund um den achtsamen Schlaf und lässt uns an ihren Erfahrungen aus langjähriger Praxis teilhaben. Sie gibt hilfreiche Tipps für einen guten Schlaf und wertvolle Hinweise dazu, was wir tun können, wenn unsere nächtliche Ruhe gestört ist oder es uns einfach nicht gelingen will, aus dem ständigen Gedanken- und Sorgenkarussell auszusteigen.
Text: Christiane Wolf | Foto: Cristina Gottardi
Meditation und Schläfrigkeit sind eng miteinander verwoben. Wer kennt das nicht, dass man in einer längeren Meditation plötzlich zu dösen beginnt oder sich der Kopf wiederholt langsam nach vorne oder zur Seite senkt, nur um ruckartig wieder hochzuschnellen, wodurch man für einen kurzen Moment wieder etwas wacher wird? Dieses Verwobensein ist so alt und so verbreitet, dass eine bekannte japanische Legende um den Ursprung des Tees von eben diesem Zustand handelt. Bodhidharma, dem Begründer des Zen- Buddhismus, fielen ebenfalls in der Meditation immer wieder die Augen zu. Das ärgerte ihn so sehr, dass er sich entnervt (wie war das doch mit dem Gleichmut im Buddhismus?) die Augenlider abriss und sie auf den Boden warf. Die Göttin Quan Yin hatte Mitgefühl mit ihm, und an dieser Stelle wuchs der erste Teestrauch. Bodhidharma aß die Blätter und konnte erfrischt und klar seine Meditation fortsetzen.
Ich erinnere mich an einen siebentägigen Zen-Sesshin, in dem wir morgens um drei geweckt wurden, um dann um halb vier in der Halle zur ersten Meditation zu sitzen. Dort wurde uns – wir waren bereits in der Meditationshaltung – eine Schale mit grünem Tee gereicht, die gemäß der Zen-Tradition schnell getrunken werden musste. Vermutlich war das als eine Geste des Mitgefühls gemeint – ich war auf jeden Fall dankbar dafür.
Das Verwobensein von Meditation und Schläfrigkeit führt andererseits eine ganze Armee von Schlaflosen zur Meditation, in der Hoffnung auf Erlösung von der Volkskrankheit Schlafstörung. Meditation gehört inzwischen zum gängigen Repertoire der Schlafhygiene, und jede Smartwatch misst die Länge und Tiefe unseres Schlafs. Die meisten, wenn nicht alle Achtsamkeits-Apps haben den Trend bemerkt und bieten inzwischen reichlich angeleitete Meditationen und ganze Programme zum besseren Ein- und Durchschlafen an.
Wie viele kam Susanne wegen starken Stresses in meinen MBSR-Kurs. Sie hatte sich vor einigen Jahren selbstständig gemacht, und ihr Betrieb brummte, war aber noch mit hohen Schulden belastet. Susannes Frau, Laura, arbeitete in Teilzeit in einer hausärztlichen Gemeinschaftspraxis, bei ihr war vor Kurzem Rheuma diagnostiziert worden. Zu Hause wurden die beiden durch zwei aktive Kinder, neun und zwölf Jahre alt, auf Trab gehalten. Susanne berichtete von Anspannung, leichter Reizbarkeit und chronisch schlechtem Schlaf, den sie mit rezeptpflichtigen Schlafmitteln mehr schlecht als recht behandelte. „In meinem Kopf kreist es ununterbrochen“, erzählte sie in der Gruppe. „Ich spiele ständig alle Szenarien durch und überlege, wie ich mich und meine Familie besser davor schützen kann.“
Ich habe im Laufe der Jahre ungezählte Male Menschen in meinen MBSR-Kursen gehabt, die den Bodyscan nachts als Einschlafhilfe und insbesondere als Wiedereinschlafhilfe mitten in der Nacht benutzten. Wir witzelten dann gerne, dass man damit ja nur gewinnen kann: Entweder man schläft wieder ein – super! –, oder man hat bereits seine 45 Minuten Bodyscan für den Tag gemacht, was in den ersten Wochen eines MBSR-Kurses Teil des Programms ist.
Wieso gerade der Bodyscan so gut beim Einschlafen hilft? Weil wir uns selbst helfen, aus dem Kopf, dem Denken und Grübeln herauszukommen. Die Füße grübeln nicht und machen sich keine Sorgen um den nächsten Tag oder das Leben im Allgemeinen. (…) Mehr
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Dieser Artikel stammt aus unserer Winter-Ausgabe 04/2021: Schlaf und Traum. Ihre Bedeutung für Gesundheit, Resilienz und Wohlbefinden.
„Wieso gerade der Bodyscan gut beim Einschlafen hilft? Weil wir uns selbst helfen, aus dem Denken und Grübeln herauszukommen. Die Füße grübeln nicht und machen sich keine Sorgen um den nächsten Tag.„