Viele Menschen haben alles, was sie brauchen, und doch oft das Gefühl, dass ihnen etwas fehlt. Vergeblich versuchen sie ihr Glück durch Selbstoptimierung und Absichern des eigenen Erfolgs zu erreichen. Die Psychotherapeutin und Ordensschwester Teresa Hieslmayr sieht als Ursache für dieses Unbehagen eine mangelnde Erfahrung von Zugehörigkeit und Verbindung und plädiert für ein neues Gemeinschaftsgefühl.
In Wege zum Miteinander nimmt Teresa Hieslmayr uns mit auf die Suche nach einem Wirgefühl, das uns in der heutigen, auf das Ich fokussierten Zeit abhandengekommen zu sein scheint. „Die Erfahrung des Gemeinsamen ist uns fremd geworden“, schreibt sie und fragt: „Haben wir verlernt, ‚wir‘ zu sagen? Im Trend liegt es jedenfalls nicht. Von vielen Seiten wird uns suggeriert, es sei notwendig und heilbringend, den Blick auf das Ich zu richten.“
Sie benennt Gründe für die zunehmende Vereinzelung und Einsamkeit in unserer Gesellschaft: Egozentrismus und „Wir-Verhinderer“ wie Armut, Isolierung, Überforderung, Unsicherheit und Angst. Und sie zeigt Wege ins Wir, die bei der Wahrnehmung von uns selbst und der Welt, in der wir leben, beginnt. Denn wir sind immer Teil eines größeren Ganzen, einer Familie, einer Gruppe, eines Landes, ja der Menschheit selbst. Ein solches Miteinander schließt, so Hieslmayr, auch die Natur, Andersdenkende und Schwächere mit ein.
Ein überaus lesenswertes Buch, dessen Thesen genauso durch Alltagsbeispiele untermauert werden wie durch Zitate von Psychologen, Denkern und Philosophen wie Alfred Adler, Dietrich Bonhoeffer oder Hannah Arendt. Das Wir ist ein Wagnis, so Arendt, „das nur möglich ist im Vertrauen auf die Menschen. In einem schwer genau zu fassenden, aber grundsätzlichen Vertrauen auf das Menschliche aller Menschen.“ Ein gelungenes Wir ist Teresa Hieslmayr zufolge darüber hinaus jedoch immer auch ein Gewinn, nicht nur für die Gemeinschaft, sondern auch für den Einzelnen. Denn Verbundenheit ermöglicht es uns nicht nur, Krisen gemeinsam besser zu bewältigen, sondern macht uns als soziale Wesen einfach glücklich.
Teresa Hieslmayr
Wege zum Miteinander
Verbundenheit finden, die unser Leben stärkt
Tyrolia Verlag 2024
EUR 20,00
Teresa Hieslmayr ist Ordensfrau und Psychotherapeutin in eigener Praxis. Sie hat Theologie, Germanistik und Psychotherapie in Wien und Krems studiert. Neben der Psychotherapie arbeitet sie in der Seelsorge für chronisch psychisch Kranke und als spirituelle Begleiterin. Schwester Teresa lebt im Dominikanerinnenkloster in Kirchberg am Wechsel im südlichen Niederösterreich.