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Ursula Richard | Die Kunst, gut mit sich zu sein

 

Mit-sich-Alleinsein bedeutet nicht, dass man sich einsam fühlt oder darunter leidet – im Gegenteil, oft empfinden wir gerade im Alleinsein oder in der Meditation in unserem tiefsten Inneren Verbundenheit mit uns selbst und mit der Welt: eine grundlegende Dimension des Menschseins, deren Aspekte Ursula Richard in ihrem Leitartikel beleuchtet. 

Text: Ursula Richard | Foto: picture alliance / N. Dautel

In den letzten Jahren sind Einsamkeit, Alleinsein zunehmend in einen schlechten Ruf geraten. Mittlerweile vergeht kaum eine Woche ohne alarmierende Berichte über die fatalen Auswirkungen von Einsamkeit. Die Zahl einsamer Menschen schnellt in die Höhe, was zum Teil umstandslos daraus abgeleitet wird, dass immer mehr Menschen in Einpersonenhaushalten leben; ein allein lebender Mensch gilt also per se als einsam.

Immer mehr Menschen fühlen sich aber auch einsam. Mittlerweile soll es schon jeder vierte sein und einer neuen Umfrage der Bertelsmann-Stiftung zufolge sogar 46 Prozent der 16- bis 30-Jährigen. Das bedeutet auch gesellschaftlichen Sprengstoff. Einsamkeit fördert eine ganze Reihe von Krankheiten. Die WHO hat sie zu einem globalen Gesundheitsproblem erklärt, so ungesund wie 15 Zigaretten am Tag. Aber sie gefährdet auch die Demokratie, da einsame Menschen nicht wählen gehen oder sich verstärkt rechtsextremen Ideologien anschließen, so eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Der fehlende gesellschaftliche Blick

Sie bedroht damit den gesellschaftlichen Zusammenhalt und trägt dazu bei, dass sich vor allem junge Männer auf TikTok das Gehirn mit Videos einnebeln, die toxische Männlichkeit propagieren. Es schrillen die Alarmglocken: Einsamkeit ist das neue Rauchen, die neue Fettleibigkeit oder das neue Burn-out. Wenn Menschen im neo- liberalen Kapitalismus verstärkt Verhaltensweisen an den Tag legen, die nicht mehr dem freien, flexiblen, krisenfesten, gesunden Idealbild eines Individuums mit ausgeglichener Work-Life-Balance entsprechen, sondern auf die gesellschaftlichen Bedingungen, die ihr individuelles Leben ja formen und es durchdringen, mit Stress, Ängsten, Depressionen und Gefühlen von Einsamkeit oder Orientierungslosigkeit reagieren, dann sollen sie diese auch individuell, durchaus aber mit Unterstützung in Workshops und Kursen bearbeiten und überwinden.

Diese Haltung schlägt sich auch darin nieder, dass es zwar immer mehr Studien zu den problematischen individuellen und gesellschaftlichen Folgen (und Kosten) von Einsamkeit gibt, allerdings nur wenig zu den sozialen Bedingungen geforscht wird, die Vereinsamung und Isolation verstärken. Dort anzusetzen und z.B. den öffentlichen Nahverkehr in ländlichen Gebieten zu fördern, kleine Dorfläden zu gründen, niedrige Renten zu erhöhen, nicht kommerzielle Begegnungsstätten im öffentlichen Raum zu fördern, für günstige Mieten zu sorgen und alternative Lebensformen und Patchworkfamilien steuerlich zu begünstigen, um nur einige wenige aus einem ganzen Strauß von Möglichkeiten herauszugreifen, würde bedeuten, die Rahmenbedingungen gesellschaftlichen Lebens und die Möglichkeiten des Teilhabens zu verbessern.

Ein Merkmal unseres Lebens

„Einsamkeit ist viel mehr als nur ein individuelles Problem“, heißt es allerorten. Doch bei allen Versuchen, sie zu einer neuen „Volksseuche“ zu dämonisieren, die unbedingt eingedämmt gehört, sollte nicht vergessen werden, dass Einsamkeit letztlich ein unumgängliches Merkmal unseres Lebens ist.

Einsamkeit ist eine existenzielle Erfahrung. Und all unsere Versuche, uns bloß nicht einsam zu fühlen und uns auch nicht von der Einsamkeit anderer anstecken zu lassen, sind letztlich vergebliche Versuche, uns von der Wirklichkeit unseres Lebens abzuschneiden. Die beinhaltet, dass wir mit unserer Geburt in eine Existenz geworfen sind, die nur uns selbst zu eigen ist und durch unseren Tod, zumindest in dieser Form, endet.

Sich einsam fühlen ist im Allgemeinen mit leidvollen, schmerzhaften Erfahrungen verbunden. Doch wie wir durch den Buddhismus wissen, schaffen wir uns nur zusätzliches Leid, wenn wir das Unangenehme einfach weghaben wollen, um stattdessen wieder Angenehmes zu empfinden. Es wäre schön, aber es funktioniert nicht, sondern wir verstricken uns oft nur noch mehr in das Knäuel leidvoller Erfahrungen. (…) Mehr

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