Sylvia Wetzel gehört zum Urgestein der buddhistischen Szene in Deutschland und baut in ihren Büchern, Vorträgen und Meditationskursen Brücken zwischen den Erkenntnissen westlicher Psychologie und Philosophie und den Einsichten buddhistischer Weisheit. Mit ihrer Art der Reflexion von kulturellen Bedingungen und Geschlechterrollen ist sie eine Pionierin des Buddhismus im Westen. In diesem sehr persönlichen Beitrag lädt sie uns ein, mit ihr auf die spirituelle Reise zu gehen, und zeigt anhand von Meditationen und Reflexionen, wie sie immer wieder sich selbst und ihr Leben hinterfragt, um ihren eigenen aktuellen Standort im Innen wie im Außen zu finden und auszuloten.
Text: Sylvia Wetzel
Fünf Meditationen über polare Spannungen
1. Zwischen der Suche nach Sinn und dem eigenen Weg: Ich suche nach Sinn und will etwas Neues entdecken und frage mich immer wieder: Was gibt meinem Leben Sinn, Orientierung und Ausrichtung? Was fehlte in meinem Alltag, als die Sorge um Status, Besitz, Anerkennung und schöne Gefühle und die Angst vor ihrem Verlust dominierten? Traue ich mich, meinen eigenen Weg zu suchen und zu gehen? Habe ich das schon einmal versucht? Wann war das und worum ging es mir dabei? Welche Folgen hatte das für mich und für meine Mitmenschen?
2. Zwischen Stimmigkeit für mich und Lernen und Austausch: Spüre ich, wenn das Leben stimmig wird und ist? Wann habe ich das erlebt und woran habe ich es bemerkt? Von wem habe ich etwas Neues und für mein Leben Wichtiges lernen können, und mit wem konnte und kann ich über das, was mir am Herzen liegt, sprechen und mit wem nicht?
3. Zwischen Integration in mir und Verkörperung in der Begegnung mit anderen: Wie verankere ich eine neue Inspiration in Leib und Seele? Welche Übungen inspirieren und stabilisieren mich dabei? Welche Rolle spielt systematische Meditation? Wie setze ich eine Inspiration im Alltag um? Bemerken das andere, und falls ja, wie? Wann und wo haben Sie das schon erlebt? Bitte freuen Sie sich darüber!
4. Zwischen Resonanz und Ungewissheit: Bleibe ich allein mit meinen neuen Einsichten und Erfahrungen? Kann ich sie an meine Mitmenschen vermitteln? Und falls ja, wie mache ich das? Wo habe ich das schon einmal versucht? Wie ist es angekommen? Wie gehe ich mit Desinteresse und Abwehr um? Ungewissheit und Risiko: Weiß ich, dass meine neuen Wege im besten Fall ein Horizont für mich und andere sein können und kein Ende haben? Wie gehe ich damit um, dass es keine Garantie und absolute Sicherheit gibt?
5. Zwischen Bewahren und Veränderung: Wie erlebe und lebe ich die Spannung zwischen dem Wunsch, das Kostbare, das mich inspiriert und trägt, zu bewahren, und der immer wieder neuen Herausforderung, das Bewährte kulturell für die eigene Zeit zu übersetzen?
Meditatives Nachdenken
Ich möchte meine Überlegungen anhand dieser fünf Herausforderungen mit ihren jeweiligen Aspekten entwickeln. Sie können diese Fragen in kleinen Schritten meditativ nachvollziehen. Setzen Sie sich dazu, soweit möglich, stabil, aufrecht und entspannt hin. Das fördert Vertrauen, Wachheit und tiefe Einsichten. Lesen Sie eine der Fragen langsam durch und warten Sie, was auftaucht: ein Bild, ein Satz, ein Wort. Lassen Sie das einen Moment auf sich wirken. Fragen Sie sich dann: Was hat mich berührt oder erreicht? Warten Sie, was auftaucht. Formulieren Sie zum Abschluss einen Wunsch: Wie soll sich die Übung auf mein Leben auswirken? Möglichst zum Wohle aller. Sie können sich Ihre Einsichten notieren und immer wieder durchlesen. Als Inspiration und Trost in Zeiten der Ungewissheit und Verunsicherung. (…) Mehr
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Dieser Artikel stammt aus unserer Frühjahrs-Ausgabe 01/2022: Wege bereiten für eine lebenswerte Welt von morgen.
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