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Porträtaufnahme von Stephen und Ondrea Levine

Stephen Levine: Lass dein Licht leuchten

Der im Jahr 2016 verstorbene Poet und Autor Stephen Levine ist vor allem für seine Arbeit mit Sterbenden und seine Bücher über den Umgang mit dem Tod bekannt, die er großteils zusammen mit seiner geliebten Frau und spirituellen Weggefährtin Ondrea verfasste. Sein eigenes bewegtes Leben führte ihn dazu, sich derart intensiv mit der eigenen Sterblichkeit zu befassen und immer wieder die Frage aufzuwerfen: Wer stirbt da, wenn wir sterben? Denn erst diese Erkenntnis erlaubt es uns laut Levine, wirklich zu leben und unser Licht leuchten zu lassen.

Text: Roman Katzer

Am 17. Juli 1937 erblickte Stephen Levine in Albany, New York, als Sohn eines Chemikers das Licht der Welt, als „hungriger Geist“, wie er selbst sagte. Das ist nicht bloß eine Metapher, mit der Levine auf den buddhistischen Glauben an die Hungergeister verweist, die für ihre Gier, Hab- und Eifersucht nach dem Tod damit bestraft werden, dass sie ihren Hunger und Durst nie stillen können. Bei ihm war es buchstäblich so, dass er aufgrund einer Fehldiagnose des Familienarztes in den ersten Lebensjahren auf eine gefährliche Diät aus Bananenbrei und Magermilch gesetzt wurde, die ihn fast das Leben kostete. Erst ein anderer Arzt stellte fest, dass der völlig abgemagerte Dreijährige nicht an einer Verdauungsstörung litt, sondern an chronischer Unterernährung.

So wurden Leiden und Gier zu einem Muster, das sich früh durch sein Leben zog: „Schon im Alter von vier Jahren hatte ich ständig die Taschen voll mit gestohlenen Süßigkeiten“, schreibt Levine in seiner Autobiografie. In seiner Grundschulzeit zog er später mit ein paar Kumpels um die Blocks und klaute Kriegsspielzeug und Leckereien – der Auftakt zu einer kleinkriminellen Karriere, die ihn im Alter von 13 Jahren die erste Verhaftung und Jugendarrest wegen unerlaubten Waffenbesitzes einbrachte. Mit 19 war er bereits viermal verhaftet worden und genoss es, einer Clique anzugehören, die schnelle Autos, Prügeleien und Adrenalinkicks brauchte, um sich lebendig zu fühlen.

Begegnung mit dem Buddha

Doch das war nur eine Seite des empfindsamen Jungen – er war wie gespalten und interessierte sich andererseits für Wissenschaft und Musik, was ihn auf die Universität von Miami und zum Jazz führte. Und zu Buddha, dem Levine erstmals im Alter von 20 auf einem Busbahnhof begegnete: „In einem Zeitungsständer, aus dem ich wahllos Taschenbücher griff, die ich flüchtig durchblätterte, tauchte das leuchtende Antlitz des Buddhas in A. E. Burts Buch The Compassionate Buddha auf. Mit seinen vier edlen Wahrheiten erzählte mir der Buddha, dass ich nicht der Einzige sei, der litt. Er sagt, der Schmerz beruhe auf der emotionalen Erschöpfung, die sich einstellt, wenn wir versuchen, uns an das Wesen der Dinge zu klammern, die immer in Veränderung begriffen, ja illusorisch sind“, so Levine.

Sein Versuch, ohne Anleitung zu meditieren, und die falsche Auslegung der Lektüre verstärkten allerdings die Tendenz zur Selbstverleugnung in ihm. Tiefe Verwirrung und Depression folgten auf ein vorübergehendes Hoch – bis hin zur freiwilligen Einweisung in die Psychiatrie, wo er dann auf die Schriften von Sivananda, Vivekananda und die yogische Praxis des Atmens stieß. Und auf die transformierende Kraft des Schreibens, die sein zerrissenes Selbst nach und nach zusammenfügen und ihn später bekannt machen sollte.

Drogen und die zweite Chance

Aus der Psychiatrie entlassen, zog Levine ins New Yorker Künstlerviertel Greenwich Village, jobbte als Koch und Kellner in Kneipen und verkehrte zunehmend in Dichterkreisen, die die Beat Generation bewunderten. Nach der Veröffentlichung seines ersten Gedichtbands im Jahr 1959 experimentierte er mit Heroin und geriet in einen Strudel aus Schmerz und Abhängigkeit, bis er schließlich im Gefängnis landete. Dort bot sich ihm eine zweite Chance: In der Zelle begann er, zu meditieren oder, wie er es nannte, einen Tunnel in die Freiheit zu graben: „Ich träumte von einem inneren Universum, das größer war als jene, in denen ich in Stahl, Körper und Geist eingesperrt war.“ Nach seiner Entlassung geriet er erneut in den Bann des Heroins, und es dauerte zwei Jahre, bis ihm bewusst wurde, dass er endgültig aus dem Teufelskreis der harten Drogen aussteigen musste. „Mir wurde qualvoll deutlich, dass Heroin zwar den Schmerz abtöten kann, nicht aber das Leid.“ (…) Mehr

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Dieser Artikel stammt aus unserer Winter-Ausgabe 04/2021: Schlaf und Traum. Ihre Bedeutung für Gesundheit, Resilienz und Wohlbefinden.

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