Die Silver-Santé-Studie ist die bislang längste und umfassendste wissenschaftliche Studie, um die Auswirkungen von Meditation auf die emotionalen Aspekte des Alterns und der psychischen Gesundheit zu untersuchen. Über die ersten Ergebnisse berichtet Olga Klimecki, die als eine von vielen Forschern aus sechs europäischen Ländern an der Studie beteiligt war.
Text: Dr. Olga Klimecki | Fotos: Unsplash
Mein Großvater ist Mitte 90, mittlerweile mehrfacher Uropa und lebt im Altersheim. Als ich ihn neulich mit meinem Sohn besuchte, freute er sich sehr, auch wenn er uns nicht unbedingt erkannte – denn seit vielen Jahren hat er eine starke Demenz. Er freute sich einfach darüber, dass wir da waren, und schmunzelte immer wieder, wenn er die unbändige Energie meines Sohnes spürte. Wir haben mit ihm gesungen und gegessen und ihn in seinem Rollstuhl spazieren gefahren. Ein wenig war es so, wie mit einem Kind zu interagieren: Es war eine gute Gelegenheit, freundlich und wohlwollend präsent zu sein.
Mein Großvater ist natürlich nicht der Einzige in dieser Situation. Rein demografisch gesehen wird unsere Gesellschaft immer älter. Forscher schätzen, dass sich als Folge die Zahl der Demenzfälle weltweit von 2019 bis 2050 von 57 Millionen Fällen auf 153 Millionen Fälle verdreifachen wird. Eine wichtige Herausforderung unserer Zeit ist also die Frage, was man tun kann, um gesund zu altern und Demenzerkrankungen vorzubeugen. Studien aus den letzten Jahren zeigen, dass man durch moderate Bewegung, gesunde Ernährung und ein gutes soziales Umfeld dazu beitragen kann. Bewegung, Ernährung und soziale Kontakte werden auch modifizierbare Faktoren genannt. Auf sie kann man, anders als z.B. auf manche genetisch vererbten Risikofaktoren, Einfluss nehmen.
Erst vor relativ kurzer Zeit ist erkannt worden, dass zu den modifizierbaren Faktoren auch Emotionen gehören. Man weiß z.B., dass Menschen, die viel Angst haben, auch eher eine Demenz entwickeln. Folglich stellt sich die Frage, ob es Wege gibt, das emotionale Wohlbefinden zu stärken und in dieser Hinsicht negative Emotionen wie Angst zu verringern. Da Studien an jüngeren Probanden bereits gezeigt haben, dass Meditationstraining einen guten Einfluss auf das emotionale Wohlbefinden und sogar den Erhalt der grauen Substanz, also der Nervenzellen im Gehirn, hat, könnte es im Alter vielleicht dazu beitragen, das Demenzrisiko zu senken. Allerdings war die Studienlage zu den Effekten von Meditationstraining auf gesundes Altern lange Zeit eher spärlich.
Das Medit-Ageing-Projekt
Zusammen mit einem Team von renommierten Alters- und Meditationsforschern um die französische Altersforscherin Dr. Gael Chételat stellten wir uns die Frage, ob Meditationstraining tatsächlich dazu beitragen kann, gesund zu altern. Dabei war unser Ziel, eine Studie durchzuführen, die den strengsten wissenschaftlichen Kriterien gerecht wird. Wir entschieden, dass wir klinische Studien durchführen wollten, um Meditation genauso strikt zu testen, als ob es sich dabei um ein Medikament handeln würde. In monatelanger Arbeit entwarfen wir die zunächst provisorisch Medit-Ageing genannte Studie. Auf Anhieb wurde unser Projekt von der Europäischen Kommission von 2016 bis 2022 gefördert. Als offiziellen Namen wählten wir Silver Santé Study, damit Versuchsteilnehmer nicht zugunsten der Meditation beeinflusst werden würden. Die Studie besteht insgesamt aus drei Teilen, die ich im Folgenden vorstelle.
Die SCD-Well-Studie
Der erste Teil konzentrierte sich auf fast 150 Menschen im Alter von über 60 Jahren, deren Gedächtnis nach eigenem Empfinden nachlässt, aber deren geistige Leistungsfähigkeit nach objektiven Kriterien noch im Normbereich liegt. Im Englischen spricht man hier von „subjective cognitive decline“, kurz SCD genannt. Getestet wurde, ob es möglich ist, durch acht Wochen Meditationstraining oder acht Wochen Gesundheitstraining Angst nachhaltig zu senken. (…) Mehr