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Norbert Classen | Natürliche Rhythmen

Innere und äußere Rhythmen bestimmen unser Leben, auch wenn wir in unserer modernen Welt mit künstlichem Licht, Zentralheizung & Co oft nicht bemerken, wie sehr wir in den Wechsel von Tag und Nacht und der Jahreszeiten eingebunden sind. In uns tickt zudem eine innere Uhr, die die biologischen Rhythmen in unserem Alltag bestimmt und unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden sicherstellt. Schlafmangel, Unfälle und gesundheitliche Probleme sind die Folge, wenn wir gegen diese regenerativen Rhythmen statt mit ihnen leben.

Text: Norbert Classen | Foto: Peopleimages / iStock

Der Einbruch der kalten Jahreszeit bringt für viele Lebewesen in unseren Breiten regelmäßig Veränderungen mit sich: Bären, die sich im Sommer und Herbst einen Winterspeck angefressen haben, ziehen sich zur Winterruhe in ihre Höhlen zurück. Siebenschläfer und Haselmaus fallen sogar in einen genetisch festgelegten Winterschlaf, in dem sechs Monate lang Herzschlag, Stoffwechsel und Atmung auf ein Minimum reduziert werden. Die Bäume haben längst ihre Blätter abgeworfen, die Sauerstoffproduktion eingestellt und alle Energie in ihre Wurzeln zurückgezogen. Wir Menschen in der modernen westlichen Welt schalten die Heizung ein und machen uns kaum Gedanken darüber, was der Winter für unsere Vorfahren bedeutet haben mag, sondern sorgen uns eher um gestiegene Heizkosten.

Der Wechsel der Jahreszeiten hat unsere Ahnen bereits vor Jahrtausenden dazu gebracht, Kalender zu entwickeln, um die für Ernte und Saat wichtigen Termine im Jahreslauf zu bestimmen. Geholfen haben dabei Sonne und Mond, die als äußere Taktgeber nicht nur den Jahreslauf, sondern auch den Wechsel von Ebbe und Flut bestimmen. Die 365 Tage, in denen die Erde die Sonne umrundet, haben wir Jahr genannt, die durch den Schrägstand der rotierenden Erdachse bewirkten Klimaschwankungen Jahreszeiten und die immer wiederkehrenden Phasen des Mondes Monate. Im Mittelalter hießen die Sommermonate nicht Juli und August, sondern Heuert (Heumond) und Ernting (Erntemond), was die vitale Rolle der Landwirtschaft in Erinnerung ruft.

Noch vor 100 Jahren war der Winter eine Zeit der Entbehrungen, in der man von Pökelfleisch, Räucherspeck, Kohl, Wurzelgemüse und Sauerkraut lebte. Heute ist dank international vernetzter Märkte, Flugzeugen und Containerschiffen alles jederzeit frisch verfügbar – doch zu welchem Preis? Eine klimaschonende, bewusste und zugleich gesunde Ernährung ist bei uns aufgrund moderner Lagermöglichkeiten auch im Winter ohne großen Verzicht regional und saisonal möglich.

Menstruation im Takt des Mondes

Lange wurde in wissenschaftlichen Kreisen heiß diskutiert, ob die Übereinstimmung des Menstruationszyklus bei Frauen, der durchschnittlich 29,3 Tage lang ist, mit der Umlaufzeit des Mondes von 29,5 Tagen zu tun hat. Im Jahr 2021 konnte die Zoologin und Neurobiologin Charlotte Helfrich-Förster von der Universität Würzburg durch die Auswertung von über lange Zeit geführten Regeltagebüchern nachweisen, dass sich die Periode bei vielen Frauen immer wieder für Jahre und Monate mit dem Mondzyklus synchronisiert, wobei der Eisprung meist um den Neumond herum stattfindet und die Regelblutung vermehrt mit dem Vollmond einsetzt. Helfrich-Förster geht davon aus, dass das menschliche Fortpflanzungsverhalten einst fest mit den Mondphasen synchronisiert war und erst unser moderner Lebensstil mit künstlichem Licht viel verändert hat. Ein wichtiger Faktor für die Synchronisierung des weiblichen Zyklus mit dem Mond ist nämlich seine wechselnde Lichtstärke, die im städtischen Umfeld kaum noch wahrnehmbar ist.

Auch zahlreiche Meeres- und Küstentiere wie die an der Nordseeküste im Watt lebenden Mücken nutzen die bei Voll- und Neumond besonders starken Gezeiten, um bei Ebbe Eier im Schlick abzulegen und den daraus geschlüpften Larven bei der folgenden Springflut einen besseren Start ins Leben zu garantieren. Solche Verhaltensweisen sind durch genetisch getaktete innere Uhren vorherbestimmt, die sich wie beim Menschen mit den Phasen des Mondes synchronisieren.

Biorhythmen und Erholung

Die wichtigsten Rhythmen im Leben werden durch die Rotation unseres Planeten bestimmt, die unsere Zeit in Tag und Nacht teilt. Dieser circadiane Rhythmus (circadian bedeutet: ungefähr einen Tag dauernd) geht einher mit Perioden von Aktivität und Bewusstsein am Tag sowie Erholung und Schlaf in der Nacht. Offenbar ist dieser stetige Wechsel uralt und lebensnotwendig, da er nicht nur bei allen Säugetieren vorkommt, sondern auch bei Reptilien und Insekten. Der Schlaf, dem wir uns nicht entziehen können, ist für den gesamten Organismus eine regelmäßige Regenerationsphase, in der Körper und Gehirn buchstäblich „gewartet“ und alle Strukturen bis hinab auf die Molekularebene repariert werden. (…) Mehr

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