Den sicheren Job behalten oder lieber noch mal neu im Beruf durchstarten? Beim Partner bleiben oder gehen? Ein Kind bekommen? Die Mietwohnung in der Stadt gegen ein Häuschen im Grünen tauschen? Laufend müssen wir Entscheidungen treffen, kleine wie große. Es lohnt sich, ihnen viel Aufmerksamkeit zu schenken, denn kaum etwas beeinflusst unseren Lebensweg so sehr wie die Wahl, die wir treffen. Rückblickend ist ein gutes Leben die Summe aus vielen guten Entscheidungen.
Text: Jutta Oster | Foto: Dmitry Demkin / Shutterstock
Es war kein Zufall, dass Apple-Gründer Steve Jobs immer einen schwarzen Rollkragenpullover trug – ebenso wenig wie es Zufall ist, dass Joachim „Jogi“ Löw als deutscher Fußball- Nationaltrainer immer im selben Rollkragenpulli vor die Presse trat. Auch Barack Obama machte während seiner achtjährigen Amtszeit als Präsident der Vereinigten Staaten keine modischen Experimente. In einem Interview erklärte der Politiker, warum er meist dunkelblaue oder graue Anzüge trug: „Ich versuche, Entscheidungen zu reduzieren. Ich möchte keine Entscheidungen darüber treffen, was ich esse oder trage. Ich habe viel zu viele andere Entscheidungen zu treffen.“ Kluge Entscheidung! Denn: Nicht nur ein US-Präsident muss am Tag unzählige Beschlüsse fassen. Wir alle stehen in unserem Alltag laufend vor einer Wahl – rund 20.000 Mal pro Tag, schätzen Wissenschaftler.
Natürlich sind darunter viele kleine Entscheidungen: Brot oder Müsli zum Frühstück? Mit dem Auto oder dem Rad zur Arbeit? Jeans oder Rock fürs Büro? Die allermeisten davon sind Routine, über die wir kaum nachdenken müssen. Schwer zu schaffen machen vielen Menschen hingegen die großen Entscheidungen, die ihnen an den Weggabelungen und Weichenstellungen des Lebens begegnen: die Wahl der Ausbildung oder des Studiums, des Berufs, des richtigen Partners, des Wohnorts, des eigenen Zuhauses, die Frage nach Kindern, nach den eigenen Lebenszielen oder der Gestaltung des späteren Ruhestands … „Nichts beeinflusst unser Lebensglück so sehr wie die Entscheidungen, die wir treffen“, sagt Dr. Melanie Wolfers, Philosophin für Lebensfragen und Spiritualität, Ordensfrau und Bestsellerautorin. Und so machen viele gute Entscheidungen rückblickend auch ein gutes Leben.
Jede Entscheidung ist ein Los auf die Zukunft
Wir leben in einer Zeit, in der es noch nie so viel Entscheidungsfreiheit gab wie heute. Der Soziologe Uwe Schimank spricht daher von der „Entscheidungsgesellschaft“. Die Spielräume zu haben, frei wählen zu dürfen – das kann Lust und Last zugleich sein. Denn jede Entscheidung ist als Los auf die Zukunft mit Unsicherheiten, Fragen und dem Risiko einer falschen Entscheidung behaftet. Oder wie es der dänische Philosoph Søren Kierkegaard formuliert hat: „Verstehen kann man das Leben nur rückwärts; leben muss man es aber vorwärts.“ Viele Menschen bleiben daher lieber im Vertrauten, sie zaudern und zögern so Entscheidungen hinaus. Zum Beispiel die Angestellte in einem großen Unternehmen, die eigentlich seit Jahren weiß, dass sie nicht mehr am richtigen Platz ist. Sie traut sich in letzter Konsequenz aber nicht, die Sicherheit eines Konzerns gegen die Ungewissheit eines neuen Jobs einzutauschen. Das Zögern ist nur allzu menschlich, denn jede Entscheidung für eine Möglichkeit ist zugleich eine Entscheidung gegen deren Alternative. Viele Möglichkeiten in einem Leben, das nun einmal endlich ist, bedeuten eben auch viel Verzicht. Und manchmal entscheidet dann das Leben, etwa weil Chancen vorüberziehen, Zeitfenster sich schließen und Träume nur Träume bleiben.
Doch beherztes Entscheiden lässt sich lernen, ist Dr. Jörg B. Kühnapfel überzeugt. Der Professor für General Management an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen und Experte für Entscheidungsfragen macht Mut zu klaren Entschlüssen: „Entscheidungen zu treffen, ist unerlässlich, um ein glückliches, zufriedenes Leben zu gestalten“, sagt er. „Wenn Sie die Regie abgeben, dürfen Sie sich nicht wundern, wenn der Film des Lebens am Ende anders aussieht, als sie es sich gewünscht haben.“ Auch Melanie Wolfers warnt davor, es sich auf dem Beifahrersitz des Lebens allzu gemütlich einzurichten. „Der schlechteste Weg, den man wählen kann, ist der, keinen zu wählen. Nicht Fehlentscheidungen, sondern fehlende Entscheidungen machen uns unglücklich.“ (…) Mehr