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Porträtaufnahme der Journalistin Gilda Sahebi

Gilda Sahebi: Starke Stimme für Frauen im Iran

Im Iran kämpfen die Menschen gegen ein autoritäres Regime, für Freiheit und Gleichberechtigung. Dieser Kampf geht uns alle an, findet Gilda Sahebi (39) aus Berlin. Die deutsch-iranische Journalistin und Autorin hat es sich zur Aufgabe gemacht, abstrakte Nachrichten und Zahlen in Geschichten von Menschen zu verwandeln, die uns das Ferne naherücken. Denn sie ist überzeugt: Nur wenn der Westen aufmerksam auf das Land schaut, können die Menschenrechtsverletzungen im Iran gestoppt werden.

Text: Jutta Oster | Foto: Hannes Leitlein

Es waren nur ein paar Haarsträhnen, die unter dem Kopftuch hervorblitzten. Doch sie reichten aus, um den Mann in Uniform zu reizen. Der Milizionär hielt die 14-Jährige, die gemeinsam mit ihrer Tante auf den Straßen Teherans unterwegs war, an und beschimpfte sie als Hure. Das Mädchen, zu Besuch im Iran und die Freiheit des Westens gewohnt, schrie zurück. Was ihm einfiele. Und dass es ihn gar nichts anginge, wie es sein Kopftuch trage. Dass er seinen Mund halten solle. Die Tante versuchte ängstlich zu beschwichtigen und zog das Mädchen Stück für Stück weg von dem Mann. Was bei der 14-Jährigen blieb, war Wut – so mächtig, dass sie sich nicht in Worte fassen ließ. Ein Vierteljahrhundert liegt diese Erinnerung jetzt zurück. Vergessen ist sie kein bisschen. „Seit September 2022 muss ich oft an diesen Moment vor vielen Jahren zurückdenken“, sagt Gilda Sahebi. „Bei mir hat diese eine Minute schon eine Wunde hinterlassen. Was macht dieses System mit Menschen, die jeden Tag darin leben?“

Über diese Menschen berichtet die deutsch-iranische Journalistin und Autorin Gilda Sahebi – vor allem seit Beginn der Protestbewegung Mitte September vergangenen Jahres. Die 39-Jährige, die in Berlin lebt, hat eine ganz besondere Beziehung zum Land: Sie ist in Teheran geboren, spricht die Landessprache Persisch und pflegt viele Kontakte in den Iran. Vielleicht aber noch entscheidender: Sie ist „persönlich und emotional“ eng mit dem Iran verbunden, wie sie es selbst formuliert. Und deshalb erfüllt es sie zugleich mit großer Bewunderung und großer Angst, was dort passiert. Jeden Tag gehen Tausende Menschen auf die Straßen, um gegen das autoritäre Regime zu protestieren. Frauen nehmen ihre Kopftücher ab, ganze Berufszweige rufen zum Streik auf, Universitäten werden zu Zentren des Widerstands. Die Menschen nehmen mit ihren Protesten große Gefahren auf sich, denn ihnen drohen willkürliche Festnahme, Folter und Hinrichtung. In den 44 Jahren ihres Bestehens hat die Islamische Republik nichts Vergleichbares erlebt, ist Gilda Sahebi überzeugt, der Protest wird sich nicht mehr zurückdrängen lassen. „Was im Iran geschieht, ist feministische Weltgeschichte“, sagt sie.

Der Westen muss hinsehen

Und diese feministische Revolte begleitet sie als Journalistin. Ihr ist es wichtig, die Aufmerksamkeit des Westens wachzuhalten. Viele Menschenrechtsverbrechen konnte das Regime aus ihrer Sicht in den vergangenen Jahren nur deshalb begehen, weil der Iran nicht im Fokus der Weltöffentlichkeit lag oder lediglich über einzelne sicherheitspolitische Aspekte wie das Atomabkommen berichtet wurde. „Menschen riskieren ihr Leben, weil sie wollen, dass wir endlich hinschauen. Sie haben Angst, dass das Regime im Iran noch viel brutaler vorgeht, wenn wir wegschauen oder die Proteste aufhören.“ Es ist Gilda Sahebis stärkster Antrieb, dieses Wegsehen zu verhindern. (…) Mehr

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