Gewohnheiten erleichtern unser Leben ungemein, so Anne Frobeen. Doch wie legen wir ungesunde Gewohnheiten ab und wie können wir neue, gesunde Verhaltensweisen in unser Leben integrieren, ohne ständig darüber nachdenken zu müssen? Aus Sicht der Verhaltens- und Sozialpsychologie erklärt unsere Autorin, wie uns das gelingt und welche Rolle Belohnungen und Wiederholungen dabei spielen.
Text: Anne Frobeen | Foto: Unsplash+
Gewohnheiten haben bei den meisten, denen Achtsamkeit wichtig ist, keinen guten Ruf. Der „Autopilot“ gilt geradezu als Sinnbild des Gegenteils. Wenn wir hören, dass wir rund 43 Prozent unseres Alltags bestreiten, ohne wirklich bei der Sache zu sein, denken wir: Das müssen wir ändern! Alte Muster und Gewohnheiten erscheinen uns als unnötiger Ballast. Wir wären lieber ständig bewusst.
Tatsächlich sind Gewohnheiten eine Organisationsform der Natur, die unser bewusstes System frei macht für das, was es am besten kann: analysieren, planen, Probleme lösen, entscheiden und kreativ sein. Gewohnheiten sorgen dafür, dass wir wiederkehrende Tätigkeiten – das Frühstück richten, zur Arbeit gehen oder das Smartphone checken – ohne Nachdenken tun können. Wir vollziehen sie so schnell, dass unser Bewusstsein nicht mitkommt.
„Gewohnheiten sind mentale Abkürzungen, die uns zeigen, wie wir uns in einem bestimmten Kontext am besten so verhalten, dass wir dafür belohnt werden“, sagt Wendy Wood, eine britisch-US-amerikanische Psychologin und emeritierte Professorin der University of Southern California. Sie erforscht seit über 30 Jahren, wie Gewohnheiten unser Verhalten beeinflussen.
Für sie ist klar: Passen unsere Gewohnheiten zu unseren Zielen, machen sie uns das Leben leichter. Ganz gleich, ob es um erfolgreiche Arbeit geht oder um gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung und Schlaf oder regelmäßige Momente des Innehaltens.
Gewohnheiten sagen uns, was wir zu tun haben, ohne dass wir bewusste Entscheidungsprozesse durchlaufen müssen. Solche Prozesse sind für unser Gehirn aufwendig. Sie brauchen mehr Energie, benötigen Aufmerksamkeit und sind in ihrer Kapazität beschränkt. Gewohnheiten dagegen sind schnell und mental unaufwendig. Da unser Gehirn energieeffizient arbeiten will, setzt es sie ein, wo es kann.
Wenn Gewohnheiten nicht oder nicht mehr zu unseren Zielen passen, sind sie hartnäckige Hindernisse für neues Verhalten. Denn lange befolgte Gewohnheiten – egal wie gut oder schlecht wir sie finden – sind resistent, wir können sie nicht direkt durch bewusstes Denken steuern.
Was Gewohnheiten so resistent macht
„Wenn wir etwas oft genug tun, verändern wir die Art und Weise, wie diese Handlung in unserem Gehirn repräsentiert wird“, erklärt Wendy Wood die Langlebigkeit der Gewohnheiten. Aus der Forschung weiß man, dass häufig wiederkehrende Abläufe im sogenannten prozeduralen Gedächtnis repräsentiert werden. Zum Beispiel, wie wir eine Schleife binden oder was wir tun, wenn wir Essen zubereiten. Diese Form des Gedächtnisses ist unserem Bewusstsein nicht zugänglich. Die Inhalte könne man sich vorstellen wie schreibgeschützte Dateien, so Wood. Hat sich eine Gewohnheit gebildet, bleibt sie im prozeduralen Gedächtnis codiert, auch wenn die Bedingungen sich ändern. Doch Wood ist überzeugt: „Wir können lernen, neue Gewohnheiten zu bilden, die für uns arbeiten, nicht gegen uns. Wir müssen nur wissen, wie.“ (…) Mehr